Überspringen

Wohin geht die digitale Reise in der Textilpflege-Branche?

15.05.2025

KI und Automation werden inzwischen in vielen Bereichen der Wäscherei eingesetzt. Doch was kann die moderne Technik in einer Wäscherei tatsächlich leisten und wo sind die Grenzen? Im Interview berichtet der Branchenkenner Dr. Thomas Neyers aus der Praxis.

Lesedauer: 4 Minuten

Im niederländischen Elsloo ist im September 2023 eine fast vollautomatische Krankenhauswäscherei in Betrieb gegangen. Sieht so die Zukunft der Textilpflege-Branche aus? Diese und andere Fragen beantwortet Dr. Thomas Neyers, im Berufsleben Leiter Koordination Stabstellen bei Alsco in Köln, im Ehrenamt unter anderem Präsident der European Textile Service Association (ETSA, Brüssel) und Vorstandsmitglied des Deutschen Textilreinigungs-Verband e.V. (DTV, Bonn).

Herr Dr. Neyers, was kann KI bzw. Digitalisierung in einer Wäscherei tatsächlich leisten? Wo sind derzeit die Grenzen?

Dr. Thomas Neyers: Die Digitalisierung in unserer Branche hat zwei Seiten. Einerseits umfasst sie die Datenverarbeitung, also die effiziente Verarbeitung der Informationen rund um das Textil inklusive sämtlicher Parameter wie Lager- und Beschaffungsvorgänge, Logistik und Zuordnung zum Kunden. Auf der anderen Seite gehört die Automatisierung manueller Abläufe im Aufbereitungsprozess dazu. Sie kann mit Hilfe angepasster Software auf der logischen Ebene der Entscheidungsbäume von Prozessen bzw. durch Roboterisierung erfolgen. Überall dort kann KI dazu beitragen, den Quantensprung in die Zukunft endgültig zu schaffen.


Welche Komponenten sind für die Automatisierung außerdem wichtig?

Dr. Thomas Neyers: Die Sensorik übernimmt eine weitere Schlüsselfunktion. Dank Kameras, Drucksensoren und Leseantennen kann heute das Aufbügeln etwa einer Latzhose vollautomatisch erfolgen – und zwar ebenso schnell und effizient wie durch eine erfahrene Fachkraft. Gleiches gilt für die Qualitätskontrolle, bei der die Textilien von Kameras auf Mängel überprüft werden. Das komplexe Zusammenspiel der Sensoren mit den ausführenden mechanischen Hilfsmodulen, sprich den Robotern, ist jedoch eine große Herausforderung. KI kann an dieser Schnittstelle entscheidend zu Lösung beitragen. 


Machen Roboter, KI und zunehmende Automatisierung den Beschäftigten Angst?

Dr. Thomas Neyers: Die Akzeptanz von KI stößt auf ein geteiltes Echo. Die sogenannten Digital-Natives, also die junge Generation unserer Gesellschaft, haben keine Berührungsängste. Sie gehen bereits intuitiv mit KI um und schätzen deren Mehrwert. Und genau diese Unbefangenheit wird die Entwicklung von KI gesteuerten Prozessen und Abläufen nach vorne bringen und in der Wäschereibranche für weitere Verbesserungen sorgen. 


Mit welchen Hürden ist die Implementierung von digitalen Techniken in einer Wäscherei verbunden?

Dr. Thomas Neyers: Zu den ernstzunehmenden Einschränkungen gehört der Platzbedarf, da die bestehenden Räumlichkeiten nicht erweitert werden können. Immerhin: Die Fortschritte in der Chip- und Computertechnologie ermöglichen höhere Rechnerleistungen, die Entwicklung von Schnittstellen sowie die Implementierung digitaler Technologien in bestehende Systeme. Eine weitere harte Nuss sind die Kosten für die benötigte Hardware, IT-Sicherheit und Datenschutz. Da sie als Tribut an den Fortschritt verstanden werden sollten, geht meines Erachtens kein Weg an Investitionen in Automatisierung und moderne IT-Systeme vorbei. Wer diese Entwicklung ignoriert, wird über kurz oder lang draufzahlen.


An welchen Stellen einer Wäscherei sehen Sie weitere Potenziale für KI/Automation?

Dr. Thomas Neyers: Die mechanische Automatisierung von Textilpflegeprozessen ist schon lange ein wichtiges Thema in der Branche. Daher gibt es in nahezu jedem Wäschereibereich bereits Lösungen zur Automatisierung von Abläufen oder zur intelligenten Steuerung von Prozessen. Bisher mussten sie jedoch stets einem Kosten-Nutzen-Vergleich standhalten. Durch das Arbeitskräftedefizit und steigende Personalkosten hat sich die Situation aber verändert. Die Entscheidungen kippen nun stärker zugunsten der Technik, deren größtes Potenzial ich vor allem in Bereichen sehe, in denen hohe Stückzahlen gleichförmiger Wäscheteile bearbeitet werden. Sollte es hier gelingen, Prozesse durch Robotik und intelligente Sensorik effizienter und produktiver zu machen, ist das der nächste Zukunftsschritt in der Wäscherei.


Sind die Erwartungen an KI /Digitalisierung in der Branche vielleicht zu hochgesteckt? Was wird über- oder unterschätzt?

Dr. Thomas Neyers: Nach meiner Einschätzung befinden wir uns in der Textilpflege derzeit noch ziemlich am Anfang von KI und moderner Robotik. Eine gemeinschaftliche Vorstellung davon, wie neue Technologien die Zukunft in der Textilservice Branche verändert, liegt noch nicht vor. Allerdings skizzieren die großen Maschinenproduzenten wie auch kleinere Start-Ups bereits Szenarien, die sich aus den bestehenden Möglichkeiten und Potenzialen der bestehenden Technologien ableiten lassen. 


Wenn Sie auf der grünen Wiese eine komplett neue Wäscherei bauen sollten, wie viel Automation/Digitalisierung würde in Ihrem Betrieb stecken? Auf welche Entwicklungen in dem Bereich müssten Sie sich bereits bei der Planung vorbereiten und wie würden Sie diese berücksichtigen?

Dr. Thomas Neyers: So etwas dürfen Sie einen Naturwissenschaftler nie fragen, zumal die potenziellen Möglichkeiten und Erwartungen für die Zukunft noch nicht formuliert sind und die Technik noch nicht verfügbar ist. Grundsätzlich gilt aber das Maximalprinzip, also die Entscheidung für Technologien, die mindestens dem Stand der Technik entsprechen und – falls möglich – als Beta-Use-Produkte vorhanden sind. Wesentlich ist bei der Planung auch die Raum-Thematik: Mechanische, auf 3D-Robotik aufbauende Automatisierung benötigt ausreichend Platz, um Bewegungs- und Sicherheitsräume zu gewährleisten. Unverzichtbar ist außerdem die Anbindung an die Datenwelt außerhalb des Betriebs. Sichere Datenanbindungen müssen dafür Sorge tragen, dass alle benötigten Informationen jederzeit verfügbar sind. 

Dr. Thomas Neyers
Bild © Dr. Thomas Neyers

Dr. Thomas Neyers hat an der RWTH Aachen Chemie studiert und am DWI (Aachen) promoviert. Sein beruflicher Einstieg in die Textilservice-Branche begann im Jahr 1998 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im WFK-Institut in Krefeld. Seit 2001 ist er bei Alsco, einem internationalen Textilservice-Unternehmen mit Sitz in Köln, als Abteilungsleiter im Head Office tätig und hat bereits in verschiedenen Bereichen operative und strategische Führungspositionen bekleidet. Ehrenamtlich betätigt er sich in den Branchenverbänden ETSA (Brüssel) als deren Präsident und im DTV (Bonn) als Vorstandsmitglied.

Sabine Anton-Katzenbach

Sabine Anton-Katzenbach

Diplom-Textilingenieurin und freie Journalistin

Sabine Anton-Katzenbach begleitet die Textilpflege-Branche seit drei Jahrzehnten und berichtet über deren unterschiedliche Facetten.