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Es ist seit Jahren bekannt, dass die Europäische Union ein Überalterungsproblem hat. Von Finnland bis Italien, von Portugal bis Bulgarien wird es in Zukunft immer mehr Menschen geben, die aus dem Berufsleben ausscheiden und weniger junge Menschen, die freie Arbeitsstellen ausfüllen. Auch Länder wie China und Japan sind von dieser Entwicklung, die weitreichende Folge hat, betroffen: Fachkräfte werden rar. Dieser traurige Trend macht sich vor allem in technischen Berufen und dem Handwerk bemerkbar, zu dem auch die Textilreinigungsbranche gehört. Hier ist die Lage besonders angespannt. So weist beispielsweise der Deutsche Textilreinigungs-Verband (DTV, Bonn) auf seiner Webseite eine stetig zurückgehende Zahl an Auszubildenden aus. Haben im Jahr 2011 noch etwa 520 Lehrlinge eine Ausbildung in dem Handwerk begonnen, waren es zehn Jahre später nur noch 143. Auch Österreich kann kaum eine bessere Bilanz ziehen. Dort entscheiden sich lediglich 20 bis 25 Jugendliche für eine Lehre im Textilreinigerhandwerk. Und auch in der Schweiz befinden sich nach Angaben des Textilverbands Textilpflege Schweiz (VTS, Bern) nur wenige Menschen in der Ausbildung. Mitte September 2025 sind insgesamt 9 Personen im ersten Lehrjahr, im zweiten Ausbildungsjahr sind es 7 und im dritten Jahr 10 Personen.
Technik schafft Begeisterung für den Textilreiniger-Beruf

In Wäschereien fehlen aber nicht nur fachlich versierte, ausgebildete Mitarbeiter. Auch innerhalb des Betriebs, wo häufig Quereinsteiger und angelernte Kräfte arbeiten, grassiert ein Mangel an Beschäftigten. Diesem Rückgang begegnet die Branche unter anderem mit einer zunehmenden Automatisierung von manuellen Tätigkeiten. Wäscheeingabe, Sortierung oder Versandvorbereitung werden immer häufiger von Robotern und automatischen Steuerungen übernommen. Der große Vorteil der neuen Technologien sei, so die Einschätzung von Michael Harre, Geschäftsführer von Kannegiesser (Vlotho), dass die Unternehmen produktiver würden. Auf der anderen Seite sieht er in der zunehmenden Automatisierung eine Aufwertung von Arbeitsplätzen: Die Anforderungen an das Personal ändern sich, es übernimmt mehr Aufgaben im Bereich Bedienung, Wartung und Steuerung moderner Anlagen. Er sieht in dieser Entwicklung große Chancen für die Branche: Die Arbeitsplätze werden abwechslungsreicher und technologisch anspruchsvoller, wodurch sich neue Perspektiven für Betriebe bei der Gewinnung und langfristigen Bindung von qualifizierten Mitarbeitern eröffnen. Da ein solcher Wandel aber kein Selbstgänger ist, braucht es eine profunde Unterstützung durch die Maschinenhersteller, betont Michael Harre. Dazu gehören einerseits einfach zu bedienende Anlagen, andererseits eine intensive Einarbeitung und Schulungen des Wäschereipersonals. Bei der Entwicklung entsprechender Maschinen und der Entsendung versierten Schulungspersonals steht allerding auch die Maschinenbauindustrie vor ähnlichen Problemen wie die Textilpflegebranche: Fachkräfte fehlen. Daher wird eine langfristige Personalentwicklung hier wie dort immer wichtiger, um qualifizierte Nachwuchskräfte für den hoch spannenden Textilpflege-Sektor zu begeistern und weiterzuentwickeln.
Unverzichtbar: Aus- und Weiterbildung in der Textilpflege

Auch wenn die Automation in immer mehr Bereichen einer Wäscherei Einzug hält, kann Technik das Wissen über eine fachgerechte Aufbereitung und die Schadensanalyse von Textilien (noch) nicht ersetzen. Hierfür werden Expert*innen gebraucht. Da diese in den Wäschereibetrieben jedoch seltener werden, springen längst Institute und Waschmittelhersteller in die Bresche und helfen bei der Bewältigung wäschereitechnischer Probleme. Das kann aber keine langfristige Lösung des Problems sein. Verbände, Kammern, Hochschulen und Institute bieten daher bedarfsgerechte Schulungs-, Aus- und Weiterbildungsprogramme an, die der Qualifikation von Quereinsteigern dienen und/oder Junior- und Seniorexperten hervorbringen. Die Hohenstein Academy (Bönnigheim) etwa hat bereits vor Jahren mit dem eigenen Expertenpool ein umfangreiches Kursprogramm aus digitalen und hybriden Seminaren entwickelt. Die Akzeptanz ist nach Angaben des Leiters der Akademie, Marc Rabah, hoch: Allein die digitalen Kurse werden jährlich von bis zu 2.000 Teilnehmern besucht. Auch der DTV bietet zahlreiche, überwiegend kaufmännisch orientierte Weiterbildungsformate sowie Meisterkurse an. Und bei der GermanFashionAkademie (Köln) können sich Beschäftigte von Mitgliedsfirmen in IHK-zertifizierten Kursen zur Zollfachkraft, PSA-Fachkraft sowie Nachhaltigkeitsfachkraft Bekleidungsindustrie ausbilden lassen.
Zu wenige Berufsschulen

Solche modernen, digitalen Lernformate könnten auch ein Problem beheben, das durch die voranschreitende, den geringen Ausbildungszahlen geschuldete Schließung von Berufsschulen entstanden ist. So müssen Auszubildende für die Teilnahme am Blockunterricht teils lange Wegstrecken in Kauf nehmen oder sogar mehrere Wochen in einer ihnen fremden Stadt zubringen. Verständlich, dass Eltern minderjähriger Lehrlinge solchen Rahmenbedingungen nicht viel abgewinnen können und für ihre Kinder eine Alternative in der Region suchen. Die Abkehr trifft besonders ausbildungswillige Wäschereien in ländlichen Regionen. Obwohl sie ihr Handwerk auf Berufsmessen oder Arbeitsbörsen vertreten und damit das Interesse von jungen Menschen wecken, steht die berufsschulische Situation dem Abschluss eines Ausbildungsvertrags oft im Weg.
Elterliche Finanzspritze für eine handwerkliche Ausbildung

Es scheint noch weitere Gründe zu geben, die eine Besetzung offener Ausbildungsplätze im Handwerk erschweren. Zu diesem Ergebnis kommt der Ausbildungsreport 2025 des DGB-Bundesvorstands, Abteilung Jugend (Berlin). Die Gewerkschaft hatte darin 9.090 Lehrlinge in 25 Gewerken (die Textilreinigung war nicht darunter) zu ihrer Situation befragt. Sie beklagten u.a. unzureichender Ausbildungspläne – eine Schwachstelle vor allem in kleineren Betrieben – und eine fehlende Perspektive nach Beendigung der Ausbildung: Im letzten Ausbildungsjahr wissen 41,5 Prozent der Lehrlinge nicht, ob sie übernommen werden. Besonders gravierend schlägt die Ausbildungsvergütung während der Lehre zu Buche. Sie reicht nicht oder nur bedingt für ein selbstständiges Leben, finden 62,8 Prozent der Befragten. Fast ein Drittel der Azubis ist demnach auf zusätzliche finanzielle Unterstützung der Eltern angewiesen und jeder achte Auszubildende geht neben der Ausbildung einem Nebenjob nach, um über die Runden zu kommen. Immerhin: Das „Lehrgeld“ im Textilreinigungshandwerk liegt um mehr als 100 Euro über der gesetzlichen Mindestausbildungsvergütung und steigert sich innerhalb von drei Jahren von 800 Euro auf 950 EUR. Noch besser trifft es Jugendliche, deren Ausbildungsbetrieb ein Mitglied im Industrieverband Textil Service (intex, Frankfurt/Main) ist. Dieser hat sich mit der IG Metall auf einen Tarifvertrag geeinigt, der Auszubildende schon im ersten Lehrjahr 1.100 EUR zugesteht.
Die Möglichkeiten des Internets für die Branchenleistung genutzt!
Obwohl die Branche in punkto Automatisierung, dem Einsatz künstlicher Intelligenz und Robotik die Nase bereits weit vorne hat, kennen die wenigsten Menschen diese interessanten Seiten des Berufs. Mit gezielter Werbung ließe sich das Image der Branche schlagartig aufpäppeln. Der DBL (Zirndorf) ist dieses Kunststück mit einem humorvollen Youtube-Video gelungen: Der Spot hat in zwei Jahren mehr als eine halbe Million Aufrufe generiert. Eine bessere Werbung kann sich die Branche kaum wünschen.