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Die Europäische Kommission hat das Ende der textilen Vermüllung und des uferlosen Co2-Fußabdrucks der Textil- und Bekleidungsindustrie beschlossen. Bis zum Jahr 2030 sollen alle in den Mitgliedsstaaten auf den Markt gebrachten Textilerzeugnisse langlebig, reparierbar und recycelbar sein und zu einem großen Teil aus recycelten Fasern hergestellt werden. Dadurch soll der enorme Strom an textilen Abfällen eingedämmt werden, der jährlich in Europa weggeworfen wird. Im Jahr 2020 waren das pro EU-Bürger etwa 16,5 kg Alttextilien und Schuhe, wie die European Environment Agency ermittelt hat. Immerhin wurde davon ein knappes Drittel (4,5 kg) in Sammelcontainern oder bei organisierten Sammlungen in Privathaushalten und im Gewerbe abgegeben. Das Erfreuliche: Ein erheblicher Teil dieser von Recyclingunternehmen eingesammelten Waren wird einer zweiten Nutzung zugeführt. Der Fachverband Textilrecycling (FTR) führte in diesem Zusammenhang eine Studie zum Bedarf, Konsum und der Wiederverwendung von Bekleidung durch. Im Jahr 2018 gingen in Deutschland 62% in den Verkauf als Second-Hand-Kleidung (zum Vergleich: in Italien waren es 67,5%), 13% werden zu Putzlappen und Dämmmaterial weiterverarbeitet, 12% gehen ins Faserrecycling (in Italien: 25,5%) und 12% in die Verbrennung bzw. Entsorgung (in Italien: 7%).

Textilabfallaufkommen im Jahr 2020, in Kilogramm pro Kopf. Quelle: European Environment Agency
Ultrafast-Fashion vereitelt Textilrecycling
In Europa werden Altkleider also schon längst als Ressource genutzt und wieder- oder weiterverwendet. Den politischen Entscheidungsträgern ist das zu wenig, es soll zukünftig viel mehr gesammelt und recycelt werden. Allerdings verhindert genau die Industrie, die das Malheur verursacht hat, eine tragbare Umsetzung der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauffähige Textilien: Die Überschwemmung des Markts mit Ultrafast Fashion vergeigt dem Second-Hand-Kleidermarkt das Geschäft und behindert die Erforschung wirtschaftlicher Verfahren zum mechanischen Faserrecycling. Thomas Fischer, Referent im Fachverband Textilrecycling, Kreislaufwirtschaft und Marktentwicklung beim Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse, Bonn) und Johannes Leis, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Vliesstoffe/Recycling am Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI, Chemnitz) haben die Schwierigkeiten zusammengefasst, die Wegwerf-Mode für ihre Arbeit mit sich bringt.
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Ultrafast Fashion überschwemmt Europa mit Mode zu extrem niedrigen Preisen. Second-Hand-Kleidung ist, da sie überwiegend von spezialisierten Fachkräften nach vielfältigen Kriterien von Hand sortiert wird, z.T. teurer als diese Neuware. |
Niedrige Kosten für Primärware führen im Recycling zu einem Dilemma: Die Sekundärerzeugnisse sind zwar technologisch machbar, aber im Vergleich zu Neuware wirtschaftlich nicht tragbar. |
Die Chance auf Wiederverwendung von Altkleidung hängt von deren Qualität ab. Ultrafast Fashion ist jedoch von niederwertiger Qualität, die den Abverkauf als Second-Hand-Ware erheblich erschwert. |
Die Qualität der Sammelware sinkt: Bei einer Analyse eines post-consumer T-Shirts aus Baumwolle wurden mittlere Faserlängen von weniger als 12 mm gefunden. Solche Kurzfasern machen eine mechanische Kreislaufführung unmöglich. |
Komplexe Materialverbünde in Bekleidung und Verpackung sind im Recycling technisch anspruchsvoll und kostenintensiv. |
Aufgrund einer heterogenen stofflichen Zusammensetzung von Alttextilien haben recycelte Fasern unterschiedliche Fasereigenschaften. Diese können den Durchsatz in der nachfolgenden Verarbeitungsprozessen verringern, führen zu mehr Produktionsabfällen und steigenden Kosten. |
Für die Umsetzung der europäischen Textilstrategie werden weitere geeignete Recyclingverfahren und Investitionen in spezialisierte Anlagen benötigt, deren Genehmigungsprozess sehr zeitintensiv ist. |
Für mehr Forschung und Entwicklung zum Textilrecycling benötigen die Institute Fördergelder. Vom Forschungsantrag bis zur Genehmigung vergeht sehr viel Zeit. |
Aussortierte Miettextilien bringen die Voraussetzungen für das Recycling mit
Das sich immer schneller drehende Karussell der qualitativ minderwertiger Billig-Fashion steht dem Textilecycling im Weg. Neben den konkurrenzlos billigen Preisen vereitelt deren miserable Qualität u.a. die Weiterverwendung zu Rezyklatgarnen oder Vliesstoffen. Allerdings gibt es durchaus Alttextilien, die den Kriterien der Recycling-Industrie entsprechen! Dabei handelt es sich um ausgediente Mietwäsche aus Textilservice-Unternehmen! Sie fällt an den Standorten der Betriebe in größeren Mengen an, was das Sammeln erleichtert. Außerdem haben die Textilien, sofern es sich um Bett-, Tisch- und Frottierwäsche, Shirts, Gastro-Schürzen, OP- und Reinraumkleidung handelt, eine konsistente Materialzusammensetzung und Farbigkeit. Darüber hinaus hat die Primärware eine gute Qualität, die der branchengeforderten Langlebigkeit und Leasingeignung geschuldet ist. Und schließlich ist die aus dem Mietzyklus aussortierte Wäsche auch noch sauber. Die in Mietwäsche steckenden Möglichkeiten hat in jüngster Vergangenheit zu verschiedene Recycling-Initiativen geführt. Dabei handelt es sich um Einzel- wie auch Gemeinschaftsprojekte. Doch wie groß wäre wohl das Potenzial, wenn alle Aktivitäten gebündelt würden?