Wussten Sie, dass das mechanische Textilrecycling eine lange Tradition hat? Das Geschäftsmodell von Reißereien hat sich im Lauf der Jahrhunderte jedoch stark verändert. Die Weiterentwicklung des mechanischen Faserrecyclings liegt daher längst bei Forschungsinstituten wie dem STFI in Chemnitz.
Wer denkt, dass mechanisches Textilrecycling ein Geistesblitz der Europäischen Kommission ist, sollte sich lieber einmal mit Thomas Fischer unterhalten. Der Referent des Fachverbands Textilrecycling, Kreislaufwirtschaft und Marktentwicklung im Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung (bvse, Bonn) ist mit der Geschichte des Textilrecyclings vertraut und kann dazu einiges erzählen:
„Lumpen wurden schon im alten China für die Papierherstellung eingesetzt. Das Wissen um diese Techniken gelangte im 7. Jahrhundert über den vorderen Orient nach Europa, wo Lumpensammler die Papiermühlen mit textilen Rohstoffen aus Baumwolle, Leinen und Hanf versorgten. Als im 19. Jahrhundert Verfahren zur Herstellung von Reißwolle erfunden wurden, konnten die Fasern der Textilien auch zur Textilerzeugung verwendet werden. Daraus entstanden meist billige Stoffe, die wieder zu Bekleidung und Co. verarbeitet wurden.“
Rohstoffmangel macht erfinderisch
Einen regelrechten Boom erlebten die Reißwollfabriken mit dem Zweiten Weltkrieg: Da die primären Rohstoffe für die Textilproduktion fehlten, mussten sie aus Altkleidern zurückgewonnen werden. Die Ressource war aber nicht endlos. Als nach Kriegsende kaum noch verwertbare Alttextilien vorhanden waren, wurden diese sogar für die Versorgung von Papierfabriken und Reißereien nach Deutschland importiert! Die Erfolgsgeschichte sollte jedoch nicht lange dauern: Sinkende Preise für Primärfasern, hohe Preise für Sekundärfasern und der mit dem Wirtschaftswunder in der Bundesrepublik einsetzende Klamottenkonsum brachten das mechanische Faserrecycling nahezu zum Erliegen. Den Rest erledigten wirtschaftliche Schwierigkeiten Anfang der 70er Jahre und eine damit verbundene weltweit hohe Nachfrage nach Gebrauchtkleidung. Es folgte die Verlagerung der Textilfertigung in Billiglohnländer, aufgrund deren die Preise für Neuware weiter fielen.
„Den Recyclingbetrieben blieb keine andere Wahl als ihr Geschäftsmodell an die neuen Gegebenheiten anzupassen.“
„Die Sammlung, Sortierung und Vermarktung von tragbarer Gebrauchtkleidung wurde zu einem willkommenen Zusatzgeschäft. Heute stellt es die wirtschaftliche Basis des effektiven Alttextilsammelsystems in Deutschland und unserer Mitgliedsunternehmen dar – und trägt wesentlich zur Kreislaufführung von Alttextilien bei.“
Die Geschichte wiederholt sich
Während sich ab den 1960er Jahren im Westen Deutschlands die Kleiderschränke mit Neuware füllten und das Wiederverwenden von Textilien aus der Mode kam, erlebte das Faserrecycling in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) sein Revival. Johannes Leis, Wissenschaftlicher Mitarbeiter Vliesstoffe/Recycling am Sächsischen Textilforschungsinstitut (STFI), kennt die Entwicklungen, die insbesondere von seinem Arbeitgeber ausgingen:
„An unseren Vorgängerinstituten wurde ab den 1970er Jahren aus Gründen der Ressourcenknappheit in der DDR bereits Forschung und Entwicklung zur Aufbereitung von Alttextilien betrieben. Es ging damals insbesondere um die Aufbereitung von Produktionsabfällen aus der Textil- und Bekleidungsindustrie zur Verwendung als Trittschalldämmung im Fußboden.“
„Im Gegensatz dazu erwies sich das Altkleiderrecycling zu dieser Zeit noch als problematisch, da das Abscheiden nicht textiler Komponenten wie Knöpfe, Reißverschlüsse etc. noch nicht gelöst war und der Aufbereitung dieses Stroms im Weg stand.“
Nach der deutschen Wiedervereinigung hat das STFI seine Arbeiten beim mechanischen Faserrecycling weiter vorangetrieben. Bereits in den 1990er und 2000er Jahren liefen viele Forschungsprojekte zum mechanischen Recyclingprozess. So gehen Erfindungen wie das Separieren von nicht textilen Komponenten aus Bekleidung mittels Zyklonen, Windsichtern und Klopfwolf auf Gemeinschaftsprojekte des STFI und dessen Partnern zurück. Eine weitere, bahnbrechende Entwicklung aus Sachsen ist die individuelle Antriebssteuerung der Öffnungsorgane im Recyclingprozess. „Dies sind ganz wesentliche Entwicklungen und heute Stand der Technik im mechanischen Textilrecycling“, berichtet Johannes Leis. „Dank dieser Technologien können wir in unserem Institut inzwischen sowohl die mechanische Aufbereitung von Produktionsabfällen (Post-Industrial Abfälle) als auch Post-Consumer Abfällen aus der Altkleidersammlung wie auch die Rückgewinnung von Kohlenstofffasern aus dem textilen Leichtbau erforschen.“ Damit tragen die Arbeiten des Instituts zur Umsetzung der von der Europäischen Kommission beschlossenen Zirkularität in der Textil- und Bekleidungsindustrie bei.
Was hat aber nun die Textilpflegebranche mit der Arbeit der Entsorgungsunternehmen und Textilforschungsinstitute zu tun?
Wie Sie in unserem nächsten Beitrag erfahren werden, sind sowohl die Sortierbetriebe als auch die Forschungsinstitute auf verlässliche Ressourcenquellen angewiesen. Textilservice-Unternehmen, insbesondere die auf Hotel- und Krankenhauswäsche spezialisierten, haben diesen Status! Ihre aus dem Mietzyklus ausgesteuerten Alttextilien fallen in großen Mengen in einer weitgehend homogenen Zusammensetzung und in hoher Qualität an.
Diese drei Faktoren sind wesentliche Voraussetzungen, um die Weiternutzung und/oder die mechanische Faserrückgewinnung wirtschaftlich interessant zu machen.
Sabine Anton-Katzenbach
Diplom-Textilingenieurin und freie Journalistin
Sabine Anton-Katzenbach begleitet die Textilpflege-Branche seit drei Jahrzehnten und berichtet über deren unterschiedliche Facetten.