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Nach dem Willen der Europäischen Kommission sollen 27 Mitgliedsstaaten bis zum Jahr 2050 klimaneutral werden. Dieser Beschluss bedeutet eine industrieübergreifende Umstellung von fossilen Rohstoffen zu nachwachsenden und recycelten Ressourcen. In der Energiegewinnung ist dies bereits gelungen: Strom wird zunehmend aus regenerativen Quellen gewonnen. In der chemischen Industrie gelingt eine Ablösung fossiler Rohstoffe jedoch nicht im selben Tempo. Viele Produkte, darunter auch die für die Industriewäsche unverzichtbaren leistungsfähigen Waschmittel, basieren noch immer auf Erdöl. Aufgrund eines geringeren Kohlendioxid-Fußabdrucks werden aber längst auch Palm- bzw. Palmkernöl, Sonnenblumen-, Soja-, Kokos- und Rapsöl für das Synthetisieren von Tensiden genutzt. Allerdings bringen die Rohstoffalternativen diverse Herausforderungen mit sich.

Herausforderungen von Bio-Ölen für die Tensid-Synthese
- Verfügbarkeit: Die Menge der aus Pflanzen gewonnenen Öle und der daraus hergestellten Tenside ist begrenzt; die Verfügbarkeit rohölbasierter Tenside ist deutlich höher
- Wirksamkeit: Die Effizienz der aus natürlichen Ölen synthetisierten Tenside ist verschieden. So haben aus Rapsöl gewonnenen Tenside beispielsweise eine geringere Wirksamkeit als erdölbasierte.
- Auswahl: Die Auswahl der aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellten Tenside ist begrenzt, was sich in dem höheren Preisgefüge widerspiegelt. Zu den ergiebigen Naturprodukten zählt das aus der Ölpalmfrucht gepresste Palmkernöl.
- Preis: Aus natürlichen Rohstoffen gewonnene waschaktive Substanzen haben einen höheren Preis als solche, die auf Erdöl basieren. Das führt zu einer Verteuerung von Industriewaschmitteln, die nach Aussagen der Hersteller nicht von den Abnehmern akzeptiert wird.
- Konkurrenz zwischen stofflicher und nahrungstechnischer Nutzung: Soja-, Kokos- und Sonnenblumenöl sind ein wesentlicher Rohstoff für die direkte und indirekt Lebens- und Futtermittelindustrie. Durch eine – neben Biokraftstoff – weitergehende industrielle Verwendung werden sie der weltweiten Nahrungskette entzogen, was ethisch fraglich ist.
- Anbau: Palmöl hat ein sehr gutes Verhältnis von Flächenbedarf zum Ertrag. Aber der Anbau von Ölpalmen steht in Zusammenhang mit sozialen Missständen auf den Plantagen, Menschenrechtsverletzungen, Grundwasserentzug, Landkonflikten, der Rodung von (Regen)Wäldern, der Zerstörung natürlicher Lebensräume und dem Rückgang der Artenvielfalt. Um die negativen Auswirkungen zu minimieren, hat sich die chemische Industrie, die u.a. Tenside aus Palmkernöl produziert, im «Round Table of Sustainable Palm Oil» (RSPO) zusammengeschlossen. Die gemeinnützige Organisation setzt sich für eine nachhaltige Gestaltung der Palmölindustrie ein. Das RSPO-zertifizierte Palmöl ist aus vier Lieferketten zu beziehen: Identitätsgeschützt (identity preserved), getrennt gelagert (segregated), massenbilanziert (mass balance), RSPO-Credits./ Book & Claim. Als Rohstoff für die Tensidproduktion wird überwiegend massebilanziertes Palmöl verwendet, bei dem nachhaltiges Palmöl aus zertifizierten Quellen während der Lieferkette mit gewöhnlichem Palmöl gemischt wird.
- EU-Entwaldungsverordnung: Die EU-Verordnung 2023/1115 über entwaldungsfreie Produkte hat den weltweiten Schutz von Wäldern vor Rodungen zur Gewinnung von Agrarrohstoffen im Fokus. In das Anwendungsgebiet fallen u.a. Soja und Ölpalme sowie daraus hergestellte Erzeugnisse. Ab dem 30. Dezember 2025 müssen große und mittlere Unternehmen für diese Rohstoffe umfangreiche Dokumentation und Herkunftsnachweise vorlegen.
Biobasiertes Profi-Waschmittelsortiment - seit Jahren auf dem Markt
Ungeachtet der diversen Fallstricke, die bei der Herstellung biobasierter Tenside zu beachten sind, hat Steinfels Swiss (Winterthur) sämtliche Hindernisse umschifft und eine Produktlinie entwickelt, die vollständig auf natürlichen Rohstoffen beruht: MayaTex. Zum Sortiment gehören verschiedene Flüssigwasch- und Waschhilfsmittel, die in industriellen Textilpflegebetrieben für eine umweltfreundliche und hygienische Wäscheaufbereitung sorgen. Die Stellschraube für eine nachhaltige Textilpflege sieht Irene Wirz, Leiterin Entwicklung bei Steinfels Swiss jedoch an anderer Stelle: „Das Ziel muss es sein, den Tensidverbrauch in der Wäschereibranche zu senken. Durch eine optimale, der Verschmutzung, Menge und dem Material angepasste Dosierung aller Waschsubstanzen lässt sich noch immer am meisten für die Umwelt herausholen.“
Waschsubstanzen tragen >10% zum CO2-Fußabdruck einer Wäscherei bei
Dieses Argument bekommt bei Betrachtung der Kohlendioxid-Fußabdrucks eines Textilpflegebetriebs zusätzliches Gewicht: „Wir haben für Greif Mietwäsche den Corporate Carbon Footprint aus Scope 1, 2 und 3 Emissionen ermittelt. Im Bereich der in die Scope 3 eingehenden „Purchased Goods & Services“ machen die Emissionen 26% aus. In dieses Feld fallen sämtliche Wasch- und Waschhilfsmittel, zugekaufte Textilien, Edelstahlcontainer etc.. Rechnen wir nun die Anteile von den Tensiden aus Petrochemie und dem gesamten Zukauf aller Chemikalien zusammen, ergibt sich eine Wertigkeit von 38% in Bezug auf unsere Scope 3-Emissionen. Damit haben sie einen deutlichen Einfluss auf unseren Klimagasbilanz. Sie tragen etwa mit 10 % zu unserer Gesamtemission bei“; erläutert Darvin Nowak, Leiter CSR bei Greif Mietwäsche (Augsburg). Allerdings weist er darauf hin, dass der Einfluss der Waschsubstanzen und Tenside auf den Kohlendioxid-Ausstoß eines Unternehmens stets von den eingesetzten Produkten abhängt und beispielsweise bei Verwendung von Hypochlorit-Verfahren steigt. Dann könnte der prozentuale Anteil nach seiner Schätzung bei 14 bis 15% liegen.
Sekundärrohstoffe aus dem Bau sollen zukünftig ins Waschmittel
Um die Auswirkungen durch Waschmittel auf die Umwelt zu mindern, engagiert sich der Waschmittelhersteller Christeyns (Gent) für das Recycling von Reststoffen als Ausgangsmaterial für seine Produkte. Vor einigen Jahren initiierte das Unternehmen das Projekt Coffee Soap, bei der Seife aus Kaffeesatz gewonnen werden sollte. Wegen zu hoher Verunreinigungen im Ausgangsmaterial wurde das Vorhaben wieder eingestellt. Inzwischen hat das Unternehmen einen anderen Weg beschritten, seine eigenen Umweltauswirkungen zu verringern: „Wir sind Partner in dem von der EU geförderten HORIZON-Projekt FIC-FIGHTERS. Im Prinzip geht es um das Recyceln von Phosphorgipsabfällen zu kommerziellen Produkten durch nachhaltige und kreislauforientierte Verfahren. Dadurch können u.a. zwei für uns wesentliche Waschmittel-Komponenten aus den Reststoffen gewonnen werden: Natriumsulfat, das als Füllstoff für unsere Pulverprodukte dient, und Ammoniumsulfat, das in der Neutralisation zum Einsatz kommt“, erläutert Dr. Stefan Vautrin, Produktmanager bei Christeyns
Pilze und Bakterien als neue Tensid-Rohstoffe?
Bei der Suche nach alternativen Rohstoffen könnten nicht nur biogene Abfallstoffe und Sekundärrohstoffe interessant sein. Die chemische Industrie und die Forschung untersuchen längst auch andere Quellen: So forscht beispielsweise das Fraunhofer Institut für Grenzflächen und Bioverfahrenstechnik an Tensiden, die mikrobiell durch Pilze und Bakterien produziert werden. Solche Verfahren hätten einen großen Vorteil: Anstelle einer chemischen Synthetisierung könnten Detergentien im Fermenter entstehen – mit deutlich geringeren Kohlendioxid-Emissionen.